heute war die nacht schon um kurz nach sechs zu ende weil ich um halb sieben bei der blutentnahme sein musste. worauf mein blut untersucht wird, wurde mir nicht gesagt, aber ich gehe davon aus, dass ein normales blutbild gemacht wird, um sicher gehen zu können, dass keine bisher unentdeckte krankheit übersehen wird, so lange ich mich in medizinischer obhut der klinik befinde. die angekündigte urinprobe musste nicht erfolgen, weil ich bei meiner aufnahme schon eine probe abgegeben habe. das heißt, ich hab mich umsonst heute morgen gequält, mit voller blase in die medizin (das hört sich für mich immer noch komisch an) zu kommen. ich denke, dass einem absichtlich nicht gesagt wird, dass nur eine urinprobe nötig ist, um uns suchtkranke männer nicht zu triggern, in dem man uns die aussicht auf einen möglicherweise unentdeckten rückfall gibt.
ich glaube ich hab noch nicht geschrieben, dass es sich hier um eine reine männerklinik handelt. viele suchtkliniken, deren broschüren ich gelesen hab, sind reine männer- oder frauenkliniken – die schwesterklinik von hier, in der frauen behandelt werden, ist wenige kilometer von hier entfernt. man scheint sich von der geschlechtertrennung zu versprechen, dass die patienten offener mit ihrer erkrankung umgehen und eher bereit sind, sich auch in der gruppe zu offenbaren, anstatt aus scham oder angst vor mitpatienten des anderen geschlechts peinliche details zurückzuhalten. da es diese klinik hier schon seit über 100 jahren gibt, gehe ich davon aus, dass diese entscheidung auf grundlage von langen beobachtungen getroffen wurde, mir persönlich wäre eine gemischtgeschlechtliche klinik prinzipiell lieber gewesen, weil es einem im alltag oft hilft, etwas nicht unüberlegt auszuposaunen. außerdem hab ich die erfahrung in meiner psychosomatischen reha letztes jahr (zu der ich sicherlich noch mehr schreiben werde) gemacht, dass gespräche einfach interessanter sind, wenn frauen und männer sich in der gruppe unterhalten, weil die bandbreite an meinungen und einstellungen einfach diverser ist. vielleicht bin ich mit der ansicht in der minderheit oder die nachteile einer gemischtgeschlechtlichen patientenschaft überwiegen einfach sehr.
nach dem frühstück fand eine ausführliche klinikführung für die am dienstag aufgenommen patienten statt (in der regel werden dienstags und mittwochs neue patienten aufgenommen, diese woche waren es am dienstag so viele, weil mittwoch feiertg war), die ein weiterer pate geleitet hat. ich bin begeistert von dem freizeitangebot, das einem hier geboten wird (auch wenn coronabedingt natürlich nicht alles normal genutzt werden kann): es steht ein freizeitraum mit poolbillardtisch, kicker und dartscheibe zur verfügung, eine bibliothek, kunst- und specksteinwerkstatt, ein musikraum mit diversen instrumenten, ein fitnessraum und eine turnhalle sowie eine kegelbahn. im sommer gibt es zusätzlich einen minigolfplatz, einen grillplatz und ein gartenschachbrett. außerdem wurden uns die organisatorisch und therapeutisch wichtigen gebäudeteile gezeigt. direkt im anschluss an die führung fand eine infoveranstaltung mit einer der sozialberaterinnen statt, bei der grundlegende fragen zu von alg I und II und übergangsgeld bis nachsendeauftrag für briefpost und pfändbarkeit von einkommen geklärt wurden. danach wiederum bekamen wir eine einführung in die ernährungsberatung, die, wie ich gestern schon geschrieben hab, zwar informativ war, aber vor allem gezeigt hat, dass es eigeninitiative braucht, um sich hier wirklich gesund zu ernähren. kleines beispiel: wir wurden darauf hingewiesen, dass man dazu neigt, zu viel butter zu verwenden, wenn sie eher fest ist. für mich persönlich wäre die butter nicht eisgekühlt zur verfügung zu stellen eine geeignetere maßnahme, als die patienten vor der zu kalten und damit festen butter zu warnen. außerdem hab ich erfahren, dass mein bauchumfang wohl groß genug ist, um als risikofaktor für ein "metabolisches syndrom" zu gelten (ich schreibe hier nur ungeprüft auf, was uns gesagt wurde). dass ich seit einem jahr ganz schon an gewicht und natürlich auch bauchumfang zugelegt hab, wusste ich natürlich, aber dass es schon genug ist, um als risiko zu gelten, hat mich doch überrascht.
und wie um das thema gesunde ernährung unterstreichen zu wollen, gab es im anschluss zum mittagessen bockwurst mit kartoffeln in einer undefinierbaren, aber ganz sicher fertigen soße. aber als ausgleich dazu als nachtspeise aprikosen aus der dose. aber geschmeckt hat beides ziemlich gut. à propos essen: während der klinikführung bekamen wir auch einen kurzvortrag zum verhalten im speisesaal. dort unerwünsch oder sogar untersagt sind handybenutzung, schlappen – also die schuhe, schulterfreie oberteile und kopfbedeckungen. und man darf (?) nur ein brötchen zum frühstück nehmen, weil die klinik ja auch auf die kosten achten müsse (?).ich hab also schon heute morgen unwissentlich eine regel gebrochen. allzu ernst scheint das aber nicht genommen zu werden, da mehrere patienten zwei brötchen hatten und die dame von der ernährungsberatung beiläufig erwähnt hat, dass man nach den verbotenerweise zwei brötchen zum frühstück eine vierstündige essenspause einlegen sollte. und zu meiner verteidigung: ich muss ja einen ausreichend vollen bauch haben, um nach einem mittagessen wie dem super-gau an hirschgulasch gestern bis zum abendbrot nicht fast zu verhungern.
und mit dem mittagessen war das offizielle programm bis zum abendbrot beendet. ich musste noch einen relativ ausführlichen fragebogen ausfüllen, den ich morgen mit zum ersten gespräch mit meiner einzeltherapeutin mitnehmen muss, um eine art sozial- und familienanamnese zu unterstützen.
meine tabletten hab ich jetzt heute alle schon um 19 uhr genommen, deshalb kämpfe ich jetzt um 21 uhr schon, um nicht einzuschlafen.
morgen geht die therapie los, ich bin gespannt, was es morgen zu berichten geben wird.
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