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tag 4

heute bin ich mit einem ersten termin bei meiner einzeltherapeutin, einer psychologischen psychotherapeutin und einer ersten "basisgruppe" in die eigentliche therapie eingestiegen. natürlich war heute erstmal kennenlernen und vorstellen an der reihe. die einzeltherapeutin hat meine komplette entwicklung von der frühesten kindheit bis zum tag vor meiner aufnahme penibel abgefragt um sich ein erstes bild machen zu können, wohin die reise in der therapie gehen soll und welche ziele ich persönlich für wichtig halte und erreichen will. da ich mir schon im voraus radikale offenheit vorgenommen habe, war ich nicht besonders überrascht in welcher tiefe nachgefragt wurde, aber ich musste schon bei einigen fragen überlegen, um mich richtig auszudrücken. das wäre vielleicht gar nicht so unbedingt nötig gewesen, ich finde es aber wichtig, dass ich gerade am anfang, wo es darum geht, den grundstock für die weiteres gespräche zu bilden, ein möglichst genaues bild meiner aktuellen situation zeichnen kann, um missverständnisse zu vermeiden. falls ihr euch mal in einer ähnlichen situation finden solltet, seid gewarnt, dass euch viele sehr intime fragen gestellt werden, über die ihr euch vielleicht noch nie gedanken gemacht habt. aber nur so ist es möglich, zusammen mit eurem therapeuten die gründe zu finden, die letztendlich zur sucht (oder psychischen erkrankung, das läuft bei auch bei einer ambulanten psychotherapie ähnlich ab) geführt haben, und diese dann so zu behandeln / besprechen, dass sie im besten fall aus dem weg geräumt werden oder euch zumindest bewusst sind, damit ihr in zukunft schon während sie geschehen im kopf habt, dass ihr jetzt besser aufpassen solltet.

außerdem musste ich im vorfeld der sitzung einen ausführlichen fragebogen ausfüllen, in dem auch stichpunktartig die lebensumstände abgefragt wurden, das ging von alter und beruf meiner eltern, meiner erziehung durch sie und kindheitserinnerungen über erfahrungen am arbeitsplatz bis hin zum beziehungsstatus und dem verhältnis zur partnerin. auch hier empfiehlt sich, möglichst ehrlich mit sich selbst zu sein und auch antworten zu geben, die euch subjektiv vielleicht in einem "schlechten licht" dastehen lassen, weil, habt das immer im hinterkopf: euer therapeut / eure therapeutin will euch helfen, schlechte oder ungesunde verhaltensweisen abzulegen und das geht nur, wenn ihr offen und ehrlich von euren schlechten verhaltensweisen berichtet.

um 11 uhr war dann gruppentherapie. die gruppe ist mit vier teilnehmern angenehm klein und gleichzeitig groß genug, um sich nicht nur vom therapeuten, sondern auch von mitpatienten, die die eigene situation aufgrund ähnlicher erfahrungen besser nachvollziehen können (gleichzeitig kann man auch selbst auf das gesagte eines mitpatienten reagieren und ihm mit einem denkanstoß helfen). natürlich wurde heute noch kein richtiges thema besprochen, sondern es wurden die gruppenregeln besprochen, die sich eigentlich alle auf respektvollen umgang miteinander reduzieren lassen, aber natürlich wird explizit ausgesprochen, dass man sein handy nicht mitbringen soll / darf, man sich gegenseitig aussprechen lässt, pünktlich und ordentlich gekleidet erscheint und über die themen der anderen stillschweigen bewahrt. natürlich gilt auch hier je mehr offeneheit ihr an den tag legt, desto mehr kann euch geholfen werden, auch wenn es vor anderen patienten vielleicht noch schwieriger ist, sich zu öffnen. aber zumindest mir geht es so, dass wenn ich erst einmal verinnerlicht hab, dass wir alle in einem boot sitzen und unterm strich mehr oder weniger ähnliche probleme haben, ich mir leichter tue, intime details und gedanken zu teilen.


was ich in der gruppe mal wieder vor augen geführt bekommen hab ist, dass medikamenten-, aber auch drogenabhängigkeit in allen gesellschaftsschichten gleichermaßen passiert. der immer sehr anrüchige eindruck, der uns von allen seiten vermittelt wird, ist ein meiner meinung nach absichtlich falscher, einerseits um uns vor allem in jungen jahren abzuschrecken und andererseits imposante bilder in film und fernsehen zeigen zu können. klar ist es eindrucksvoller, einen gangster in lederjacke eine auf einem spiegel gelegte line koks in einem verruchten hinterzimmer ziehen zu sehen als einen heilerziehungspfleger, der während seiner arbeitszeit aus sucht auf der behindertentoilette unter neonlicht eine line vom spülkasten zieht.

es ärgert mich auch ein bisschen, dass das immer so dargestellt wird, weil dadurch abhängige aus scham keine hilfe suchen, sondern sich noch weiter zurückziehen und so ihren konsum noch weniger unter kontrolle haben.


nach der gruppenstunde gab es mittagessen und dann war bis auf die medikamentenausgabe um 21 uhr schluss mit programm für heute. morgen steht noch ein spaziergang an, um das ried neben dem klinikgelände kennenzulernen, weil das ist der einzige ausgang vom gelände, der neuankömmlingen bis nach dem dritten wochenende gestattet ist.


so viel zu tag 4.


p.s.: wir wurden heute in der gruppe gefragt, ob wir hier jemanden getroffen haben, den wir von "draußen" kennen. darüber hab ich im voraus gar nicht nachgedacht, aber die frage ist berechtigt. sollte die sorge davor euch abhalten, in therapie zu gehen, kann ich euch mit auf den weg geben, dass die rentenkasse, die in aller regel der kostenträger für solche rehas ist, keine klinik für euch aussuchen darf, bzw. die klinik, die ihr in eurem antrag als wunsch angebt, genehmigen muss. das heißt, ihr könnt eure suchtberaterin / euren suchtberater darum bitten, euch kliniken zu empfehlen, die weiter weg sind oder ihr schaut euch im internet um und schreibt euch eine liste mit kliniken, die für euch infrage kommen (achtet darauf, dass in den meisten die handy- und computernutzung strengen regeln unterliegt, tweilweise wird einem das handy bei anreise abgenommen und erst nach den ersten wochen wieder ausgehändigt) und fragt eure beraterin oder berater nach ihrer / seiner meinung bzw. erfahrungen dazu.

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